François-Auguste-René Rodin (* 12. November 1840 in Paris; † 17.
November 1917 in Meudon) war ein französischer Bildhauer und Zeichner.
Mit ihm begann das Zeitalter der modernen Plastik und Skulptur.
Auguste Rodin stammte aus einer konservativen Beamtenfamilie; sein
Vater arbeitete in der Polizeiverwaltung. Mit 13 Jahren wurde Rodin
1853 Schüler der École Spéciale de Dessin et de Mathématiques, bekannt
als „Petite École“. Dort blieb er bis 1857. Während dieser Zeit
versuchte er dreimal vergeblich, als Student an der berühmten École
nationale supérieure des beaux-arts de Paris aufgenommen zu werden, um
Bildhauerei zu studieren. Daher setzte er seine künstlerische Karriere
ohne weitere offizielle Ausbildung fort.
Leben
Als 1862 seine Schwester starb, geriet Rodin in eine Lebenskrise, und
er trat dem Orden Pères du Saint-Sacrement bei. Doch schon beim
Eintritt in den Orden wurde er für sein künstlerisches Schaffen für
alle Zeit freigestellt.
Zwei Jahre später wurde Rodin Schüler von Albert-Ernest
Carrier-Belleuse. Er folgte seinem Meister 1870 nach Brüssel, aber die
künstlerische Auseinandersetzung wuchs zu einem handfesten Streit aus,
und Rodin trennte sich 1870 von Carrier-Belleuse. Ab dieser Zeit erfuhr
Rodin durch öffentliche Aufträge auch seine erste künstlerische
Anerkennung.
In den Jahren 1875/76 unternahm Rodin eine Studienreise nach Italien,
um das Geheimnis Michelangelos zu entschlüsseln. 1877 kehrte er wieder
nach Paris zurück, unter anderem, um Frankreichs gotische Kathedralen
zu studieren. Die Porzellanmanufaktur in Sèvres nahm Rodin für die
Jahre 1879/82 unter Vertrag. 1883 lernte Rodin Camille Claudel kennen.
Sie wurde zuerst seine Schülerin, später seine Geliebte. Die Trennung
erfolgte im Jahr 1893.
1894 ließ sich Rodin in Meudon nieder und scharte dort einen Kreis
junger Schriftsteller und Künstler um sich. „Sie sind es, der in
unserem Jahrhundert die glorreichste, die vollendetste Verkörperung der
plastischen Kunst darstellt”, so der zeitgenössische prominente
Kunstkritiker Octave Mirbeau zu Rodin.
Um die Jahrhundertwende nahm Rodin an den frühen Ausstellungen der
Pastel Society teil. Bei der Weltausstellung in Paris 1900 wurden im
Pavillon Rodin 171 seiner Werke präsentiert. Im Jahr 1904 lernte er die
Malerin Gwen John aus Wales kennen, sie wurde sein Modell und für etwa
zehn Jahre seine Geliebte. Im selben Jahr wurde er Präsident der
International Society of Sculptors, Painters and Gravers (zuvor
Vizepräsident) und löste in dieser Position Whistler ab. In den Jahren
1905/06 war Rainer Maria Rilke als Privatsekretär Rodins tätig. Im
Pariser Hôtel Biron installierte Rodin 1907 ein weiteres Atelier, das
heute als Musée Rodin zu besichtigen ist.
Im Alter von 76 Jahren heiratete Rodin im Januar 1917 seine langjährige
Lebensgefährtin Rose Beuret, die jedoch bereits im Februar an einer
Lungenentzündung starb. Am 17. November 1917 starb Auguste Rodin in
Meudon. Am 24. November wurde Rodin im Park des Musée Rodin in Meudon
neben seiner Frau Rose beigesetzt. Neben dem Musée Rodin in Paris
widmen sich das Musée Rodin in Meudon und das Rodin Museum in
Philadelphia dem Leben und Werk des Künstlers. Eine umfangreiche
Sammlung seiner Arbeiten ist zudem im Nationalmuseum für westliche
Kunst in Tokio zu sehen.
Wegbereiter der Moderne
Auguste Rodin gilt als ein bedeutender Wegbereiter der Moderne, der
neue Maßstäbe vor allem auf dem Gebiet der Plastik und der Skulptur
setzte und die Kunst seiner Nachfolger auf verschiedenste Weise
beeinflusste. Im Gegensatz zu anderen großen Bildhauern seiner Zeit,
(zum Beispiel Albert-Ernest Carrier-Belleuse), widersetzte er sich dem
vorherrschenden idealisierenden Akademismus und versuchte sich in neuen
Darstellungsformen, ohne dabei jedoch die Tradition aus den Augen zu
verlieren. Im Gegenteil verstand er sich und seine Kunst dabei als
„Brücke zwischen Gestern und Morgen“. Zu den wichtigsten Einflüssen
zählen wohl die Bildhauer der griechischen Antike sowie Donatello und
vor allem Michelangelo. Rodins Stil wurde immer wieder neu einzuordnen
versucht, unter anderem beispielsweise als impressionistisch („Kunst
der Buckel und Höhlungen“, Rodin), symbolistisch oder realistisch.
Auch als Vorbereiter des Expressionismus und des Kubismus wurde er
angesehen. Speziell das Non-finito darf dabei als bedeutendes
Stilmerkmal vieler seiner Werke gelten, das prägend für viele kommende
Künstler werden sollte. Im Gegensatz jedoch zu beispielsweise
Michelangelos unvollendeten Werken, die meist aus Gründen wie
Geldmangel oder wegen seiner starken Zweifel, der ursprünglichen Idee
in der Umsetzung gerecht werden zu können, in diesem Zustand belassen
wurden, versuchte Rodin, dieses Fragmentarische in voller Absicht als
ausdruckstragendes Stilmittel zu verwenden. Überaus modern und seiner
Zeit weit voraus sind insbesondere seine Assemblagen, die durch
Neu-Kombination von Teilen bereits bestehender Werke andere
Sinnzusammenhänge erschließen. Auch seine erst spät entstandenen
eigenständigen Zeichnungen und Aquarelle (im Gegensatz zu den
Werk-Skizzen, Studien und Kopien), die mit sparsamsten Mitteln über
große Ausdruckskraft verfügen, dürfen als recht kühn angesehen werden.
Erotische Zeichnungen
Eine Handvoll erotischer Zeichnungen, die 1906 in Weimar ausgestellt
wurden, führte sogar zum Rücktritt des damaligen Direktors des
großherzoglichen Museums in Weimar, Harry Graf Kessler. Dieser Teil
seines Schaffens ist weit weniger bekannt als sein bildnerisches Werk.
Einzelne Werke
„Der Mann mit der gebrochenen Nase“ (L'homme au nez cassé),
1864:
Mit dem markanten Kopf eines seiner ersten Werke brach Rodin zum ersten
Mal mit den glatten, erstarrten Schönheitsidealen der akademischen
Salon-Kunst. Zunächst jedoch war der Büste, für die ein Arbeiter des
Pariser Pferdemarktes Modell stand und die zugleich an die Gesichtszüge
von Rodins großem Vorbild Michelangelo erinnert, kein Erfolg
beschieden: sie wurde von der Jury des Pariser Salons abgelehnt. Der
künstlerische und kommerzielle Erfolg Rodins ließ somit noch einige
Jahre auf sich warten. In Deutschland kam der Durchbruch für Rodin, als
die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden Anfang des 20. Jahrhunderts
die Büste für ihre Sammlung erwarben.
Die Bürger von Calais (Place de l'Hôtel de Ville in Calais)
„Die Bürger von Calais“ (Les Bourgeois de Calais): 1885 erhielt Auguste
Rodin von der Stadt Calais den Auftrag für ein Denkmal, mit dem den
sechs legendären Edelbürgern der Stadt gedacht werden sollte, die
bereit waren, sich 1347 während der englischen Belagerung im
Hundertjährigen Krieg für das Wohl der Stadt zu opfern.
Rodins Werk „Die Bürger von Calais“ ist ein Paradebeispiel für
Rodins innovative, ja teilweise sogar revolutionäre Kunstauffassung.
Besonders in der damaligen Denkmalskunst galt die Frage der
Präsentation als zentrales Würde-Motiv des Werkes. Rodins Entwurf sah
statt des gängigen erhabenen Sockels einzig eine Plinthe vor und holt
damit seine Bürger auf Augenhöhe der Betrachter gleichsam auf den Boden
zurück. Vielfach wurde hierbei von der „Demokratisierung“ der Plastik
im Allgemeinen und der Denkmalskunst im Speziellen gesprochen. Erst
1895, nach mehreren Entwürfen und zähen Auseinandersetzungen, gelangten
seine Bürger zur Aufstellung, jedoch zunächst nur mit Marmorsockel und
an anderer Stelle. Erst 1945 wurde die Gruppe vor dem Rathaus in Calais
ebenerdig platziert.
Ein weiteres auffälliges Merkmal der Gruppe ist ihre
Allansichtigkeit, die der monumentalen Denkmaltradition der
Frontalansicht den Laufpass gibt. Rodin fokussierte bei den jeweils
ganz individuell gestalteten Gruppenmitgliedern besonders auf die Hände
als bedeutendsten Ausdrucksträger nicht nur dieses Werks. Zum einen die
Körperhaltung der Figuren, zum anderen die „sprechenden“,
charaktervollen Hände verdeutlichen die unterschiedlichsten Gefühle der
dem Opfertod entgegenblickenden Bürger deutlich. Keinem der einzeln
benennbaren Bürger wird seine Individualität genommen, obwohl sie alle
zusammen als (wenngleich recht heterogene) Schicksalsgemeinschaft
erscheinen – es ist auch dieser Spagat, der das Werk Rodins zu einem
seiner unumstrittenen Hauptwerke macht.
„Der Schreitende“ (L′homme qui marche),
1877–1880/1900: Ein weiteres zunächst umstrittenes Werk Rodins, da
er sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah, die dargestellte Bewegung sei
eher ein Spreizen als ein Schreiten.
1889 wird Rodin vom Panthéon in Paris beauftragt, ein Denkmal
für Victor Hugo zu erschaffen. Rodin entschloss sich dazu, den
Nationaldichter in geradezu schonungslos realistischer Nacktheit, von
Musen umringt, darzustellen. Das Besondere daran: Rodin zeigte das
verehrte Idol nicht etwa in der sonst üblichen idealisierten
jugendlichen Nacktheit, sondern als alten Mann. Der skandalträchtige
Entwurf wurde abgelehnt, und das Monument kam nie zur Ausführung.
Das „Höllentor“ (La porte de l’enfer)
kann
wohl als eigentliches Haupt- und Lebenswerk Rodins angesehen werden.
Rodin erhielt bereits 1880 vom französischen Staat den Auftrag, ein
Bronzeportal für das neue Musée des Arts Décoratifs in Paris zu
entwerfen. Der Entwurf gelangte nie zur ursprünglich fest geplanten
Ausführung. Trotzdem arbeitete Rodin daran annähernd 37 Jahre weiter,
bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1917, wobei er viele Figuren aus ihrem
ursprünglichen Kontext isolieren und zu eigenständigen Kunstwerken
erheben sollte – das bekannteste Beispiel ist hierbei sicherlich Der
Denker (Le Penseur).
Erst postum (1926) sollte der erste Bronzeguss des Höllentors
zur Ausführung kommen. Die ursprüngliche literarische Inspiration für
das Werk stellte Dante Alighieris „Göttliche Komödie“ dar. Im Laufe der
Be- und Überarbeitung befruchteten jedoch noch andere Werke, besonders
Charles Baudelaires „Die Blumen des Bösen“, die Darstellung der
verdammten Gestalten, die den existenziellen Kampf gegen die
Hoffnungslosigkeit und Endgültigkeit des Todes führen.
„Rodin hat seine Phantasie frei
laufen lassen {…}. Diese gewaltige lyrische Komposition umfasst mehr
als 300 Figuren, von denen jede eine andere Haltung oder Empfindung
verkörpert, jede in einer gewaltigen Synthese eine Form menschlicher
Leidenschaft, Pein oder Verfluchung zum Ausdruck bringt” (Octave
Mirbeau).